Leben und Werk
des Musikpädagogen Shinichi Suzuki
(1898 – 1998)
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„Bis zu unserem Tod dürfen wir weder Zeit noch Mühe scheuen,
um unsere Schwächen in Verdienste zu verwandeln.“ (Suzuki)
Shinichi Suzuki, Violinpädagoge und Begründer eines weltweit verbreiteten musikpädagogischen Konzeptes, ist am 26. Januar 1998 in Matsumoto/Japan in seinem 100. Lebensjahr verstorben. Suzuki wurde 1898 in Nagoya als Sohn eines Geigenfabrikanten geboren. Nach seinem Geigenstudium in Japan ging er für acht Jahre nach Deutschland, um bei Karl Klingler, Professor an der Berliner Musikhochschule und seinerseits Schüler von Joseph Joachim, zu studieren. In Deutschland verkehrte er in Kreisen, die sich intensiv mit europäischer Kunst und Wissenschaft auseinandersetzten. So war einer seiner häufigen Gesprächspartner der spätere Nobelpreisträger Albert Einstein, übrigens nebenbei ein begeisterter Geiger.
Suzuki heiratete die deutsche Sängerin Waltraud Prange, die sein Anliegen beständig mit großem Engagement unterstützte. Zu Beginn seiner Arbeit galt Suzuki auch in seinem Land als Außenseiter, denn so wie bei uns in Europa waren die Themen Musikalische Früherziehung und Frühinstrumentalunterricht noch längst nicht aktuell. Seine Unterrichtsmethode, nach der Kinder bereits im Alter von drei oder vier Jahren mit dem Instrumentalspiel beginnen können, hat wie kaum ein anderes musikpädagogisches Konzept weltweite Verbreitung gefunden. Es orientiert sich im Anfangsbereich an den natürlichen Lernvorgängen des kleinen Kindes. Suzuki beobachtete sorgfältig, wie Kinder das Sprechen erlernen. Ihm wurde deutlich, daß es beim Erlernen der Muttersprache kein Versagen gibt, daß jedes Kind sein eigenes Lerntempo bestimmt, und daß es die bemerkenswerte Fähigkeit besitzt, Sprache mit großer Exaktheit, sogar mit den feinsten Schattierungen lokaler Dialekte wiederzugeben. Ohne Zweifel ist die Lernfähigkeit und somit auch das Sprachniveau von Mensch zu Mensch verschieden. Ein einfacher Arbeiter wird in der Regel einen kleineren Wortschatz und ein undifferenzierteres Sprachempfinden als ein Hochschullehrer haben. Dessen Sprache ist wiederum nicht mit der eines großen Dichters, z. B. Goethes, zu vergleichen.
In seinem Buch „Erziehung ist Liebe“ stellt Suzuki die Frage: „Wie kommt es, daß es jedem Kinde leicht beizubringen ist, seine Muttersprache zu sprechen; und warum werden die gleichen Kinder mit einigen Schulfächern nicht fertig, obgleich sie sich damit ebenso viel Mühe geben?“ Suzuki wollte einfach nicht glauben, daß dieselben Kinder, welche die bemerkenswerte Leistung vollbracht hatten, eine komplizierte Sprache zu erlernen, auf anderen Gebieten einfach versagten. Bald kam er zu dem Ergebnis, daß nicht der Lernstoff das Problem war, sondern das Prinzip oder die Methode, wie den Kindern der Inhalt vermittelt wurde. Suzuki nahm sich vor, in seinem Bereich Bedingungen zu schaffen, die jedem Kind erfolgreiches Lernen ermöglichen.
Sein Konzept weist eigentlich kein wirklich neues Element auf. Das Besondere ist vielmehr die spezielle Zusammensetzung und die entsprechende Übertragung auf den Instrumentalunterricht. Seine Erkenntnisse erlangte er ausschließlich durch praktische Erfahrungen, durch genaues Beobachten und durch intuitives Handeln.
Suzukis Lebensleistung besteht u.a. darin, daß er bereits Jahrzehnte vor der Wissenschaft vielen wichtigen Entwicklungsstufen Beachtung schenkte, die in der heutigen Forschung eine zentrale Stellung einnehmen wie die Bedeutung der pränatalen Phase, des kindlichen Spracherwerbs, der sensomotorischen Entwicklung und der Bedingungen des frühen Lernens. Auch wenn in einigen Details unterschiedliche Meinungen bestehen, so hat die etablierte Wissenschaft nach und nach Suzukis Auffassungen bestätigt.
Für Suzuki bedeutete aber Instrumentalunterricht weitaus mehr als nur das systematische Erlernen eines Instrumentes auf kindgemäße Weise.
Sein wichtigstes pädagogisches Anliegen lag auf einer übergeordneten Erziehungsebene (s. Kurzbeschreibung).
Obwohl es Suzuki nicht primär darum ging, Berufsmusiker auszubilden, ist nicht zu leugnen, daß aus seiner Schule viele gute professionelle Musiker hervorgegangen sind.
Seine Verdienste wurden von zahlreichen Universitäten mit dem Ehrendoktor- und dem Professorentitel gewürdigt. Außerdem war er Ehrenbürger einiger amerikanischer Städte und Träger mehrerer Orden. Beispielsweise zeichnete ihn der deutsche Bundespräsident mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse aus, Belgien verlieh ihm die Ysaye Medaille, Italien den Orden Omaggio a Venezia, Frankreich ehrte ihn mit den Palmes Academique.
„Suzuki hat mehr für die Kunst des Violinspiels getan als irgendeine andere Person dieses Jahrhunderts!“
Josef Gingold
Zahlreiche bekannte Musiker und Musikpädagogen verfolgten Suzukis Arbeit mit großer persönlicher Anteilnahme und Anerkennung wie z.B. der berühmte Cellist Pablo Casals, die Geiger Yehudi Menuhin und Josef Gingold oder die vor wenigen Jahren verstorbene prominente amerikanische Violinpädagogin Dorothy Delay.
„Ich halte die Suzuki-Pädagogik derzeit für die beste Streicherausbildungsmethode in Amerika.“
Dorothy Delay
Als Beweis für die Effektivität von Suzukis Unterrichtskonzept soll hier nur die Aussage des Dekans der Juilliard School, Stephan Clapp, angeführt werden, der erklärt, daß neunzig Prozent der in den letzten Jahren neu aufgenommenen Streicher-Studenten ihre musikalische Ausbildung mit der Suzuki-Methode begonnen haben.
Allerdings darf auch nicht verschwiegen werden, daß Suzukis Methode nicht nur Befürworter, sondern auch entschiedene Gegner hat. Der bekannte Geiger Isaac Stern soll, nachdem er einen kurzen Abschnitt eines „Suzuki-Konzertes“ erlebt hatte, empört den Saal mit den Worten verlassen haben: „Die Suzuki-Lehrer sind alle Verbrecher!“ Diese Worte gingen damals weltweit durch die Fachpresse. Da der Name Suzuki im Zusammenhang mit seiner Methode zwar markenrechtlich, aber dennoch nicht wirksam geschützt ist, kann auch heute praktisch jeder ein Schild mit der Aufschrift „Suzuki-Lehrer“ an seiner Haustür anbringen. So wird vielen Scharlatanen die Möglichkeit gegeben, ihren unprofessionellen Unterricht als „Suzuki-Unterricht“ zu verkaufen und damit zahlreichen Kindern und auch dem Ansehen der Methode sehr zu schaden.
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Kurzbeschreibung der Suzuki-Methode
Musik wirkt unmittelbar auf die Sinne des Menschen, setzt Gefühle frei, vermittelt Freude,
weckt schöpferische Kräfte.Musik verbindet Menschen miteinander und vermittelt Gemeinschaftserlebnisse.
In diesen beiden Sätzen liegen fast alle Gedanken, die bei Shinichi Suzuki zu einer tiefen Überzeugung gewachsen sind, um bereits ganz kleine Kinder an die Musik heranzuführen und zu unterrichten.
Suzuki entwickelte nach dem zweiten Weltkrieg ein Schulwerk für die Violine – später auch für Viola, Violoncello, Querflöte und Klavier –, das inzwischen weltweit verbreitet ist. Übertragungen auf die Instrumente Kontrabaß, Gitarre, Harfe, Blockflöte und Gesang befinden sich zur Zeit in der Erprobungsphase. In enger Anlehnung an die muttersprachliche Erziehung wird zunächst ganz auf das Notenlesen verzichtet. Die Kinder erlernen ihr Instrument durch Hören, Beobachten, Nachahmen und Verbesserung durch ihren Lehrer.