Die Muttersprachenmethode

Erläuterungen und Hinweise für Eltern

Einführung

Liebe Eltern, die Muttersprachenmethode basiert auf einem ganz natürlichen Geschehen, dem Erlernen der Muttersprache. Dieser Prozess findet tagtäglich statt und demonstriert auf eindrucksvolle Weise die außerordentliche Lernfähigkeit von Kleinkindern. Heute bestätigt die Wissenschaft, daß bereits Fünfjährige unbewußte grammatische Kenntnisse besitzen, die komplexer sind, als jedes Lehrbuch sie ausweist. Wenn allerdings die Verschaltung der Nervenzellen nicht zum richtigen Zeitpunkt erfolgt, kann Versäumtes kaum noch nachgeholt werden.

 

Shinichi Suzuki

Der japanische Violinpädagoge Shinichi Suzuki (1898 – 1998) entwickelte ein musikpädagogisches Konzept, das er selbst als Muttersprachen- oder Talenterziehungsmethode bezeichnete. Seine Unterrichtsweise, nach der bereits Kinder im Alter von drei oder vier Jahren mit dem Instrumentalspiel beginnen können, hat wie kaum ein anderes musikpädagogisches Konzept weltweite Beachtung und Verbreitung gefunden. Suzuki entwickelte nach dem zweiten Weltkrieg ein Schulwerk für die Violine – später auch für Viola, Violoncello, Querflöte, Klavier und Harfe -, das inzwischen weltweit verbreitet ist. Übertragungen auf die Instrumente Kontrabaß, Gitarre, Blockflöte und Gesang befinden sich zur Zeit in der Erprobungsphase.

Suzukis Methode orientiert sich im Anfangsbereich an den natürlichen Lernvorgängen des Kindes. So beobachtete er sorgfältig, wie Kleinkinder das Sprechen erlernen und welche Rolle das Verhalten der Mütter und die Umweltbedingungen dabei einnehmen. Ihm wurde deutlich, daß es beim Erlernen der Muttersprache kein Versagen gibt, daß jedes Kind sein eigenes Lerntempo bestimmt, und jedes die bemerkenswerte Fähigkeit besitzt, Sprache mit großer Exaktheit, sogar mit den feinsten Schattierungen lokaler Dialekte wiederzugeben. Und dies, obwohl kaum eine Mutter eine studierte Sprachpädagogin ist. Suzuki nahm sich daraufhin vor, in seinem Bereich Bedingungen zu schaffen, mit denen jedes Kind erfolgreich lernen kann.

Sein Unterricht weist eigentlich kein wirklich neues Element auf. Vieles hat er der Natur abgelauscht. Das Besondere dabei ist die spezielle Zusammensetzung der einzelnen Elemente und die Übertragung auf den Instrumentalunterricht. 

Seine Erkenntnisse erlangte er ausschließlich durch praktische Erfahrungen, durch genaues Beobachten und durch intuitives Handeln. Suzukis Lebensleistung besteht u.a. darin, daß er bereits Jahrzehnte vor der Wissenschaft vielen wichtigen Entwicklungsstufen Beachtung schenkte, die in der heutigen Forschung eine zentrale Stellung einnehmen wie die Bedeutung der pränatalen Phase, des kindlichen Spracherwerbs, der sensomotorischen Entwicklung und der Bedingungen des frühen Lernens. Auch wenn in einigen Details unterschiedliche Meinungen bestehen, so hat die etablierte Wissenschaft nach und nach Suzukis Auffassungen bestätigt.

In unserer Online Mediathek können Sie einen Artikel von Prof. Dr. Peter Heitkämper herunterladen, der Suzukis Konzept aus wissenschaftlicher Sicht überprüft:

Die musikalische Erziehungsmethode Shinichi Suzukis und die moderne Gehirnforschung

Kurzbeschreibung: Immer wieder wird nach der Übertragbarkeit der Suzuki-Methode gefragt. Peter Heitkämper untersucht die verschiedenen Aspekte in der fernöstlichen und westlichen Erziehungsweise und setzt sich mit folgenden Themen auseinander:

  1. Suzuki und die musikalische Sozialisation
  2. Selbstdisziplin, Genauigkeit, Üben und Gehirnforschung
  3. Motorik, Intelligenz, Musik und Gehirnforschung
  4. Gedächtnis
  5. Nachahmung und Kreativität

Dateiautor:
Der Verfasser des Artikels ist Prof. Dr. Peter Heitkämper. Er lehrt an der Universität Münster Pädagogische Anthropologie im Fachbereich Erziehungswissenschaft.

Die Prinzipien der Muttersprachenmethode und ihre Umsetzung

Jedes Kind ist lernfähig

Liebe Eltern, Ihr Kind hat das Sprechen gelernt, weil Sie ihm die Möglichkeit dazu gegeben haben. Wenn ein Kind von Geburt an von musikalischen Klängen und Anregungen umgeben ist, es später ermutigt wird, sich aktiv mit Musik und mit einem Musikinstrument zu beschäftigen und kleinste Erfolge mit Lob und Begeisterung bestätigt werden, so entwickeln sich Freude an der Musik, Selbstvertrauen und Lerneifer meist von selbst. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung für die Entfaltung von musikalischen Qualitäten geschaffen.

Der frühe Beginn

Es ist eine bewiesene Tatsache, daß ein Kind in keinem Alter so schnell, so intensiv und in so einem großen Umfang lernt wie im Vorschulalter. Die in dieser Entwicklungsphase gesammelten Erfahrungen wirken sich prägend auf sein weiteres Leben aus. Die Muttersprachenmethode ist genau auf die lernpsychologischen Möglichkeiten von kleinen Kindern abgestimmt. Deshalb ist ein Unterrichtsbeginn schon mit drei oder vier Jahren möglich. Der Kontakt mit guter Musik kann aber nicht früh genug einsetzen. Bereits in der vorgeburtlichen Phase wirkt der Einfluß von friedvollen und empfindsamen Klängen harmonisierend auf das werdende Wesen.

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Die elterliche Unterstützung

Sie als Eltern sind die besten Spezialisten für kindgemäßes Lernen, denn Sie haben Ihrem Kind erfolgreich das Sprechen beigebracht. Wenn Sie ihm nun auch den Zugang zur Musik vermitteln wollen, dann sollten Sie folgende Ratschläge beachten:

Üben Sie täglich mit Ihrem Kind, auch wenn an einigen Tagen die Übeeinheit nur ganz kurz ausfallen kann. Das Üben sollte möglichst immer zur selben Zeit stattfinden und gut im Tagesablauf platziert sein.
Ihr Kind bestimmt sein eigenes Lerntempo selbst, so wie beim Laufen- und Sprechenlernen.
Nehmen Sie sich genügend Zeit und vermeiden Sie so weit wie möglich Störungen während der Übezeit durch Telefonanrufe, Nachbarn und Familien-angehörige. Ihr Kind freut sich, wenn Sie ihm Zuwendung und uneingeschränkte Aufmerksamkeit schenken und genießt diese Zeit, die voll und ganz nur ihm gehört.
Die Konzentration auf einen einzigen Punkt zu lenken, ist der erste und wichtigste Schritt, den Ihr Kind zu lernen hat. Wer dies nicht schafft, wird sein Leben lang unter der eigenen Sprunghaftigkeit leiden. Schwierige Dinge können nur glücken, wenn man sich voll und ganz darum bemüht. Wir benötigen beispielsweise beim Balancieren über einen Schwebebalken oder beim Schneiden mit einem Messer ungeteilte Aufmerksamkeit. Genauso ist es beim Instrumentalspiel. Selbst wenn mehrere Bereiche zu verbessern sind, sollte nie versucht werden, an allen Problemen gleichzeitig zu arbeiten, sondern nacheinander. Jeder kleine Anfänger wäre überfordert und schnell entmutigt, wenn er beispielsweise beim Geigeüben gleichzeitig auf die Haltung, die Intonation, die Strichrichtung, den Klang und den Ausdruck achten sollte.
Eine harmonische musikalische Entwicklung benötigt Konsequenz, die mit Ermutigung gepaart ist. Sie sollten die Absicht, Ihrem Kind die Welt der Musik nahe zu bringen, genauso beharrlich verfolgen, wie Sie es in anderen Bereichen (z.B. Erziehung zur Sauberkeit und Einhaltung von regelmäßigen Mahl- und Schlafenszeiten) getan haben. Meist gehört aber zur Entwicklung, daß nicht immer alles glatt verläuft. Verlieren Sie deshalb nicht den Mut. Wichtig ist es, ein Ziel langfristig zu verfolgen.
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Hören

Ihr Kind soll sich täglich die CD der Violinschule anhören. So prägt sich von Anfang an ein qualitativ guter Klang ein, ein klarer Rhythmus, die richtige Intonation, musikalische Gestal­tungsmöglichkeiten usw. Dieses Hörtraining ist in den ersten Unterrichtsjahren die wichtigste Voraussetzung, um neue Stücke zu erlernen. Denken Sie immer an das Prinzip des Sprechenlernens. Ohne regelmäßiges Hören wäre das Erlernen der Muttersprache nicht möglich.

Die CD kann auch manchmal im Hintergrund laufen; Ihr Kind braucht nicht immer aufmerksam zuzuhören, sondern kann dabei anderen Beschäftigungen nachgehen wie Spielen, Baden, Frühstücken oder im Auto mitfahren.

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Verzicht auf das Notenlesen

Ein wesentliches Merkmal der Muttersprachenmethode ist der Verzicht auf Noten während der ersten Unterrichtszeit. Beim Musizieren stehen die Schulung des Gehörs, die Konzentration auf den Rhythmus und die Intonation, die Geigenhaltung, der Bewegungsablauf beim Spielen, der Klang und der Ausdruck im Vordergrund. So gehen die elementaren Zusammenhänge zwischen Hören, Vorstellen, Fühlen und Spielen unmittelbar ineinander über. Von Anfang an erlebt Ihr Kind die Musik als ein lebendiges Ganzes und muß sie sich nicht analytisch erarbeiten. Auch dieser Schritt kann von dem natürlichen Vorgang des Sprechenlernens abgeleitet werden: Zuerst Sprechen, danach Lesen.

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Beobachten und Nachahmen

Vorschulkinder besitzen die erstaunlich große Begabung, vieles Gehörte und Gesehene nachzuahmen. Sie erfassen schnell kleinere Musikstücke und können sich die dafür nötigen Bewegungsabläufe beim Instrumentalspiel leicht einprägen.

Ermutigung

Sparen Sie nicht mit Lob, denn alle, die schon einmal versucht haben, schöne Töne aus einer Geige hervorzulocken, wissen wie schwer das ist. Suzuki lobte seine Schüler immer nach dem Spielen. Er erklärte, daß zuerst die Bemühung zähle und dann erst das Resultat. Sein Standardsatz lautete: „Sehr gut! Kannst Du … (dieses oder jenes) noch besser?“ Er betonte immer wieder, daß die Eltern versuchen sollen, so entspannt und ruhig wie möglich mit ihren Kindern zu arbeiten, denn Ruhe und frohe Konzentration würden sich in ihren Kindern widerspiegeln.

Wiederholung und Verinnerlichung

Anfangs wiederholt das Kind regelmäßig alle bisher erlernten Übungen und Stücke – so wie beim Sprechenlernen ja auch immer der gesamte Wortschatz benutzt wird und nicht nur das zuletzt erlernte Wort. Auf diese Weise erweitert es unmerklich seine Konzentrations-, Gedächtnis- und Leistungsfähigkeit. Das Kind bewegt sich gleichzeitig auf drei verschiedenen Ebenen:

  • Es festigt und vertieft sein Können durch die Wiederholung.
  • Es arbeitet an seinem aktuellen Stück.
  • Es wird allein schon durch das Anhören der nächsten Unterrichtsstücke auf der CD und durch kleine Übungen auf die zukünftigen Anforderungen vorbereitet.

Das Repertoire wird ständig vergrößert, aber gleichzeitig auch verfeinert und vertieft. Die konsequente Verbesserung bereits erlernter Inhalte einerseits und die Einübung der nächsten musikalischen Schritte andererseits treiben die natürlichen Lernvorgänge unmerklich und selbsttätig vorwärts.

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Suzuki brachte die Auswirkung dieses Lernvorganges auf eine kurze Formel:

Können erzeugt weiteres Können!

Von Shinichi Suzuki gemaltes Aquarell:
Der Mensch wird durch seine Umgebung geformt.

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Die fördernde Umwelt

Liebe Eltern, eine ganz wesentliche Bedeutung hat Ihre eigene Verbindung zur Musik. Kann Ihr Kind diese über Sie, über Ihre innere Anteilnahme und Begeisterung für die Musik ganz lebendig erfahren? So wird das Schaffen einer anregenden musikalischen Umwelt nicht nur für Ihr Kind zur Freude:

  • Spielen Sie Ihrem Kind regelmäßig wertvolle Musik vor.
  • Nehmen Sie es häufig in Unterrichtsveranstaltungen von anderen Kindern mit.
  • Gehen Sie mit Ihrem Kind zu Schülervorspielen, Workshops und in Konzerte.

Veranstalten Sie kleine improvisierte Hauskonzerte für Ihre Verwandten und Bekannten oder für den anderen Elternteil, der nicht regelmäßig am Unterricht teilnehmen kann. Nur durch Ihre Unterstützung kann Ihr Kind schon im jungen Alter die Welt der Musik kennenlernen. Sie soll sein Leben bereichern und außerdem in ihm eine Ahnung von Ordnung, Harmonie und Schönheit erwecken.

 

HIER können Sie zwei kurze Methodenbeschreibung kostenlos herunterladen.

Nr. 1 Methodenbeschreibung (Text + Fotos)

Handzettel mit Schwarzweißfotos, geeignet als Presseinformation oder für einen Elternabend

Nr. 2 Kurzbeschreibung (nur Text)

Handzettel – nur Text ohne Fotos, geeignet als Presseinformation oder für einen Elternabend

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