Mut zu Neuem und Unbekanntem

By 26. März 2020News

Sergej Simkin, Suzuki-Geigenlehrer aus Nürnberg, berichtet über seine neue Unterrichtssituation:

Wer mit dem Suzuki-Weltbild vertraut ist, weiß, dass Lernen und Üben unsere lebenslange Aufgabe in allen Bereichen ist.

Während der jetzigen Pandemie lernen wir gerade, mit Einschränkungen und Verzicht umzugehen. Für manche Eltern wurde die Schließung der Schulen und KiTas zu einer enormen Herausforderung. Nach wenigen Tagen mussten sich die Familien umorganisieren und mit der neuen Situation arrangieren. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere immer noch in der Wohnung oder im Haus eingesperrt, vielleicht entsteht aber dabei sogar ein ganz neues Gemeinschaftsgefühl.

Konzerte wurden abgesagt – Honorare fallen aus, die nächste Runde des JuMu entfällt. Das tut zwar schon weh, ist aber im Vergleich mit der dramatischen Entwicklung z. B in Italien oder auch in Spanien nicht annährend so gravierend.

Manche Musiker aus dem Bekanntenkreis haben ernsthafte Existenzsorgen.

Vor einer Woche stellte ich, so wie auch viele andere Instrumentallehrer, meinen Instrumentalunterricht auf Fernunterricht via Internet um.

Noch einige Tage vor der Volksansprache der Bundeskanzlerin und der Ankündigung der Ausgangsbeschränkungen der Bayerischen Regierung beschlossen alle Kollegen des Musikpunkt Nürnberg gemeinsam, den Unterricht einzustellen und die Schüler ausschließlich übers Internet weiter zu betreuen. Diese etwas unbekannte Unterrichtsform ist im Hinblick auf die Schwere der gesundheitlichen Bedrohung die einzig vernünftige und effektive vorläufige Strategie für die Weiterentwicklung der Schüler.

Dass der Videounterricht kein dauerhafter Ersatz für den normalen Unterricht ist, war von vornherein allen bewusst. Glücklicherweise konnte ich mich über die Solidarität und Offenheit der Schülereltern freuen. Manche Eltern mussten sich dabei richtig einarbeiten und haben einige Stunden bei der technischen Einrichtung verbracht. Manche gelangten dabei an ihre Verzweiflungsgrenze, teilten mir aber am nächsten Tag ganz stolz mit, dass es doch klappte.

Ich selbst nutze Skype seit ca. 15 Jahren gelegentlich für Auslandstelefonate und bin mit den Stärken und Schwächen des Videocalling bestens vertraut. Auch die anderen Apps wie FaceTime, Wire, Google Duo und Viber konnte ich diese Woche beim Unterrichten ausführlich testen. In 80% der durchgeführten Unterrichtseinheiten konnte man eine sehr gute Verbindungsqualität feststellen. In den restlichen Fällen sucht man noch gemeinsam nach technischer Optimierung. Prima lässt sich an allen „handwerklichen“ Aufgaben, wie Haltung, Intonation, Rhythmus, Bogeneinteilung etc. arbeiten. Je nach Verbindung ist jedoch die „künstlerische“ Arbeit eingeschränkt.

Trotz vieler schulischer Hausaufgaben kommen mir die Schüler irgendwie ausgeglichener, entspannter aber trotzdem neugierig und fröhlich vor. Für die meisten Geigenkinder bin ich ja derzeit die einzige Kontaktperson außerhalb der Familie. Umso wichtiger erscheint mir meine Arbeit, die ich übrigens äußerst gernhabe.

Bleiben Sie gesund und rücksichtsvoll!

Sergej Simkin, Nürnberg 26.03.2020

Kathrin Averdung, Suzuki-Geigenlehrerin aus Düsseldorf, berichtet über ihre neue Unterrichtssituation:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in diesen gespenstischen Frühlingstagen grüße ich trotz allem hoffnungsvoll in unsere Gemeinschaft.
Auch ich habe mich nun mit dem Online-Unterricht befasst und sehe, dass es unsere pädagogische Bandbreite sinnvoll erweitert und in der heutigen Zeit auch nach dieser Krisenzeit unbedingt gelegentlich dazu gehören sollte. Abwechslung tut gut und Not!
Ich bemerke, dass alle Beteiligten ihre Unterrichtsgewohnheiten ändern, auch die Unterrichtsdisziplin ist zuweilen besser. Begleitende Eltern haben mehr Zeit mit dabei zu sein, die Kinder werden selbstständiger.

Der Fokus liegt natürlich mehr auf dem, was man bei dem Schüler sieht. Simon Fischer bemerkte einmal, dass er schon hört, woran es liegt, wenn es nicht gut klingt. Wir werden nun Spezialisten darin zu SEHEN, wie es wahrscheinlich klingt, können daraufhin an der Körpersprache, Körper- und Geigenhaltung sowie Bogenführung und -einteilung am besten ansetzen. Kinder und Eltern werden sich an dem verbesserten Klang erfreuen.

Rhythmus und Intonation sind die Basis für gutes Musizieren, beides lässt sich per Skype gut einschätzen und damit ist viel geschafft.

Ich versuche meist, den Kindern eine kleine analoge Hausaufgabe zu stellen: ein Bild malen, eine Geschichte schreiben z.B. zu Country Dance, mit Legos das Strichschema legen, ein Osterei oder ein Gespenst an die Schnecke hängen, Noten kleben, ein Rätsel – da gibt es unendlich viel Möglichkeiten.

Zu guter Letzt ist das jetzt wohl auch die Phase der Wiederholungsstücke; das finde ich persönlich besser, als an richtig Neues heranzugehen, aber auch das ist natürlich möglich, wenn es angebracht ist und die Kinder etwas Neues brauchen. Das könnte auch ein leichtes Zusatzstück fürs Notenlesen sein. Man kann per Skype mit einer vorab aufgenommenen Stimme auch zweistimmig spielen.

Ich denke, die Kinder brauchen jetzt regelmäßig Input unterschiedlichster Art und haben vielleicht auch selbst die besten, phantasievollsten Ideen.
Wir Lehrer haben hoffentlich Zeit zur Weiterbildung, nutzen wir sie!

Ich bin sehr froh, dass unsere Methodik so viele bewährte Bausteine beinhaltet, die nun aktueller sind denn je. Daher gilt mein Dank Kerstin Wartberg, die in den letzten Jahren so viele wertvolle Online Materialien ins Netz gestellt hat.
Das Lied des heutigen Tages ist klar das Gespensterlied, morgen vielleicht die Schlangentonleiter…….

Ich verabschiede mich für heute mit einer schwungvollen Verbeugung. Bleiben Sie alle guten Mutes und gesund.

Kathrin Averdung, Düsseldorf, 30.03.2020

One Comment

  • Tanja Breiler sagt:

    Liebe Frau Averdung,
    Julius und ich sind überglücklich, Sie gefunden zu haben! Wir sind sehr zufrieden mit dem online-Unterricht.
    Wir freuen uns schon sehr auf die nächste Einheit am morgigen Tag!
    Herzlichst, Julius und Tanja